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Kuba: 50 Jahre Fidelismus

Am 01. Januar 2009 war der 50. Jahrestag der Flucht des Diktators Fulgenico Batista von der karibischen Insel Kuba. Das war der Beginn von dem, was heute allgemein als kommunistisches Regime unter der Leitung von Fidel Castro bezeichnet wird. Heutzutage wurden die Zügel natürlich an Raúl weitergeben, den jüngeren Bruder von Fidel. Aber die sozialistische Rhetorik hat in den 50 Jahren, die dazwischen liegen, nicht nachgelassen.

Viel ist gesagt worden über die Verfolgung von politischen Dissident/innen, Homosexuellen und anderen Nicht-Angepassten durch die Castro-Dynastie. Und viele Leser/innen werden verwundert sein, wie fehlerhaft das oft zitierte "sozialistische Paradies" Castos in der Presseberichterstattung zu den Jubiläumsfeiern des Regimes erscheint.

Natürlich ist es für die Castro-Brüder nötig, dass sie sich selbst als Sozialisten bezeichnen, damit sie als solche angesehen werden. Und das gleichermaßen vom US-Außenministerium (das eine Handelssperre gegen die Insel durchgesetzt hatte, kurz nachdem Fidel an die Macht gekommen war), wie von der internationalen Linken, für die Fidel eine Art Volksheld war (und noch immer ist), der diesen eingebildeten gringos, die nur 60 km weiter nördlich sitzen, frech den Mittelfinger zeigt.

Beide Seiten behaupten, dass eine Unterstützung von Fidel (was auch immer das praktisch heissen mag) bedeutet, den Sozialismus zu unterstützen und sich dem US-geführten Kapitalismus entgegen zu stellen. Aus diesem Grund sei es - nach dieser Logik - die Pflicht eines jeden Revolutionärs, das "anti-imperialistische" Kuba trotz all seiner offensichtlichen Fehler zu unterstützen.

Jedoch schon ein oberflächlicher Blick auf die kubanische Geschichte zeigt, wie weit entfernt Fidel von den sozialen Umbrüchen der 1950er Jahre war und wie er von verschiedenen amerikanischen Wirtschaftsvertretern geformt und geknetet wurde, bis er der nach-revolutionäre Führer wurde. Hauptsächlich hatte er dies seiner offenen Loyalität gegenüber ihren Interessen zu verdanken, wobei er so lange treu blieb, bis er den ursprünglichen Klassenkampf in Kuba ausgelöscht hatte.

Spanisch-amerikanischer Krieg

Seit der ersten Fahrt von Columbus zum amerikanischen Kontinent bis zu den bedeutenden Ereignissen vom Januar 1959 war Kuba ein besetztes Gebiet. Es war den wirtschaftlichen und politischen Machtansprüchen zuerst Spaniens und dann der USA dienlich. Es war im Jahr 1898 als die beiden imperialen Mächte planten, einen Krieg auf kubanischem Boden um den Besitz dieses Landes zu führen. Das führte zum Sieg der USA und zur Einverleibung der Insel als ein amerikanischer Trabant für die folgenden 60 Jahre. Und das führte auch zu den Umständen in denen Castro seinen anti-imperialistischen Kampf führte.

Das ist aber nur eine Seite der Geschichte, denn die spanische Kolonialherrschaft über die Insel war durch zivile Unruhen andauernd unterlaufen worden. Diese waren durch die Aufstände der schwarzen Sklaven angestiftet und von der Arbeiterbewegung weitergeführt worden, die durch spanische Anarchist/innen im kubanischen Exil beeinflusst war. Tatsächlich war der Einfluss der Anarchist/innen auf die kubanische Arbeiterbewegung der 1890er Jahre so groß, dass José Martí, ein für die nationale Unabhängigkeit kämpfender Journalist und Schriftsteller, sich stark bemühte Verbindungen zur kubanischen anarchstischen Bewegung aufzubauen. Er versuchte sie davon zu überzeugen, dass es für die soziale Revolution notwendig sei, die Spanier/innen zu vertreiben.

Schließlich war Martí mit seinem schmeichelhaftem Umwerben erfolgreich und ein großer Teil der kubanischen anarchistischen Bewegung wandte sich vom Arbeitskampf ab und folgte Martí in seinen Aufstand von 1895. Sie versuchten außerdem die Arbeiter/innen und Bäuer/innen davon zu überzeugen, es ihnen gleich zu tun. Als der Aufstand ins Stocken geriet, rief Martí zu einer selbst­mörderisch erscheinenden Schlacht auf, um sicher gehen zu können, dass er der größte Nationalheld Kubas würde - er ist heute noch populärer als Castro. Den vielen einfachen Kubaner/innen, die neben ihm in seinem Kampf um die Macht starben, wurde eine solcher Traum nicht gegönnt.

Schließlich erlangte der kubanische Aufstand die US-amerikanische Unterstützung, was dann zu dem folgenden Spanisch-amerikanischen Krieg (1895-98) führte. Aber die Kubaner/innen mussten bald feststellen, dass die Versprechen von Martí auf nach-koloniale Freiheit bloß Fassade waren: die US-Truppen hielten die Insel bis 1902 besetzt, um die problemlose Überführung der kubanischen Zucker- und Zigarrenindustrie von spanischen in US-amerikanischen Besitz sicherzustellen. Die kubanischen Arbeiter/innen mussten feststellen, dass sie anstatt keiner Herren nun neue hatten.

Klassenkampf

Im gleichen Jahr 1902 kehrten die anarchistischen Organisator/innen zu der mehr Erfolg versprechen­den Aufgabe des Klassenkampfes zurück. Sie starteten den ersten kubanischen Generalstreik der Tabakarbeiter/innen in Havanna. Der Streik wurde von der neuen kubanischen Regierung nieder­geschlagen, aber er diente als Vorbild für 20 Jahre andauerndes leidenschaftliches Organisieren und Streiken, besonders unter den Arbeiter/innen in den Tabak- und Zuckerfabriken und bei der Eisenbahn.

Im Mittelpunkt der Arbeitskämpfe dieser Zeit standen die Idee der direkten Demokratie und eine Ab­lehnung von Wahlen. Diese anarchistischen Ideen wirkten 1924/25 auch bei der Gründung des ersten kubanischen Gewerkschafts­bundes (Confederación Nacional Obrera de Cuba, CNOC) mit, [dem 200.000 Arbeiter/innen angehörten].

Nach der Wahl des Generals Gerardo Machado [zum Staatspräsidenten] im Jahr 1925 begann die Repression gegen anarchistische Vereinigungen innerhalb der erstarkten Arbeiterbewegung. Außerdem wurde die von Moskau geführte Kommunistische Partei Kubas (Partido Comunista Cubano, PCC) gegründet [mit Hilfe von Ricardo Flores Magón, Vertreter der Mexikanischen Kommunistischen Partei im Auftrag der bolschewistischen III. Internationale]. Es folgte eine Säuberungswelle während der der Generalsekretär der CNOC von Unbekannten ins Meer geworfen und von Haien gefressen wurde.

Im Jahr 1931 hatte es die wachsende Kommu­nistische Partei geschafft, die Kontrolle über den Gewerkschaftsbund zu erlangen und begann dann schrittweise seine anarchistischen Methoden abzubauen. Damit begann die Zeit der Verhandlungen des CNOC mit der Machado-Regierung, während die staatlichen Schlägerbanden die streikenden Arbeiter/innen angriffen und ermordeten. Trotzdem gingen die Arbeitskämpfe weiter und im Jahr 1933 wurde eine Serie von Streiks gemeinsam von einem anarchistischen Streikkomitee geführt. Dieses hatte es geschafft der Kontrolle des CNOC zu entgehen und der Streik wuchs zu einem landesweiten Aufstand heran, der schließlich den Tyrannen Machado stürzte.

Streikbruch

Durch einen Militärputsch gelangte dann 1933 [Oberst] Fulgenico Batista an die Regierung. Batista schaffte es bis 1959 an der Macht zu bleiben, was er einerseits durch eine Amtsnachfolge seiner Handlanger schaffte, die er als Präsidenten ernannte und die ihm alle Entscheidungen überließen. Andererseits vertrat er eine Art Reformismus, der auf einem Ausgleich zwischen verschiedenen Fraktionen in der kubanischen Politik aufbaute. Batista war besonders von der Unterstürzung der Kommunis­tischen Partei abhängig, denen er die Kontrolle über die neue Kubanische Gewerkschaftsföderation (Confederación de Trabajadores de Cuba, CTC) garantierte. Außerdem bekamen sie Posten in der Regierung im Austausch für die Hilfe der Kommu­nist/innen beim Streikbruch, wie beim Generalstreik im Jahr 1935.

Zwischenzeitlich ermutigte die [sozialdemokratische] Reform der kubanischen Verfassung von 1940 eine Reihe von politischen Parteien zu lebhafter Oppo­sition gegen Batista und Co. In diesem Jahrzehnt machte ein junger Fidel Castro auf der politisch unbeständigen Universität von Havanna seinen Abschluss als Jurist. Fidel begann schnell mit seiem Aufstieg in der wichtigsten Oppositionspartei, der Orthodoxen Partei. Die wurde zunehmend beliebt durch die wöchentlichen Radiosendungen ihres Anführers Eduardo Chibás, in denen er die Korruption der Regierung aufdeckte. Als es 1951 danach aussah, dass sie die nächsten Wahlen gewinnen würden, erschoss sich Chibás seltsamer­weise live auf Sendung und hinterließ eine zum Scheitern verurteilte Partei. Fidel, ein Schützling von Chibás, war im Studio dabei als der Schuss fiel und brachte ihn ins Krankenhaus.

Fidel Castro hatte sich als sprachgewandter Nationalist und Kritiker der US-Einmischung in Kubas innere Angelegenheiten einen Namen gemacht. Er plante zu den nächsten Wahlen im Jahr 1952 für das Parlament zu kandidieren, doch Batista putschte erneut gegen den unabhängig gesinnten Präsidenten Prío Socarras und sagte die Wahl kurz vorher ab. Fidel kehrte der parlamentarischen Demokratie frustriert den Rücken zu und führte eine kleine Truppe zu dem abenteuerlichen Angriff auf die Moncada-Kaserne in Santiago im Osten der Insel.

Der Angriff war ein riesiger Reinfall und führte zum Tod von 60 Aufständischen. Doch da Batista international auf die Finger geschaut wurde, ersparte er den beiden Castro-Brüdern lange Haftstrafen. Nach ihrer Freilassung [Amnestie] flohen die Putschisten nach Mexiko, wo Fidel unter dem [marxistisch-leninistischen] Einfluss seines Bruders Raúl und seines neuen Begleiters Che Guevara die Bewegung 26. Juli (M26J) gründete. Ihre Absicht war, nach Kuba zurückzukehren und einen Guerillakrieg gegen den Diktator Batista zu führen.

Schwere Verluste

Im Jahr 1956 landete die M26J mit 82 Männern verschiedener Nationalität mit dem heute legendären Boot Granma an einem verlassenen Strand im Osten der Insel . Fast sofort mussten die schlecht ausgerüsteten Rebellen in Folge eines Gefechts mit dem kubanischen Militär schwere Verluste erleiden. Batista erklärte daraufhin sogar, dass Fidel getötet worden sei, doch Fidel, Raúl und Che gehörten zu den 20 wenigen Überlebenden. Sie schafften es sich neu zu gruppieren und zogen sich weit in die dichten Wälder der Sierra Maestra zurück.

Währenddessen hatte es in den letzten zehn Jahren zunehmend Angriffe auf die Arbeiterorganisationen gegeben. Die neue anarchistische Gewerkschaftsföderation [Confederación General de Trabajadores, CGT] war infolge der Staats­propaganda zerschlagen worden und die anti-bolschewistische Einstellung des vorherigen Präsidenten Prío hatte zu einem Verbot der kommunistischen Nachfolgepartei namens Sozialistische Volkspartei (Partido Socialista Polpular, PSP) geführt. Daher hatten die Marxisten-Leninisten den Putsch von Batista im Jahr 1952 unterstützt, aber die Partei wurde dafür nicht belohnt, denn Batista suchte Unterstützung in Washington.

Nach dem angeblichen Tod von Fidel Castro im Jahr 1956 begann ein scheußlicher Machtkampf zwischen dem diskreditierten Batista und seinen verschiede­nen Gegnern in Havanna, zu denen auch eine zunehmend aktive Bewegung im Umfeld der Universität gehörte. Jedenfalls war es Fidel im Januar 1957 gelungen Herbert Matthews, einen Journalisten der New York Times, in der Sierra Maestra zu empfangen. Ermöglicht hatten ihm das seine Kontakte aus der Zeit als Politiker in Havanna, zu denen der Präsident von Bacardí Rum gehörte, der ehemalige Vorsitzende der kubanischen Nationalbank, sowie ein paar Bekannte aus der katholischen Kirche.

Matthews war eine bekannte und vertrauenswürdige Persönlichkeit in den liberalen US-Medien und der bei der illegalen Flucht vor Batistas Truppen entstandene Exklusivbericht über Fidels Weiterleben wurde drei Tage lang zur Titelstory. Fidel nutzte die Gelegenheit, um sich als romantischen Idealisten im Stil eines Robin Hood darzustellen und um Batistas Verleumndungen gegen ihn zu zerstreuen, dass er ein Kommunist sei.

Er sagte Matthews, dass er "für ein Ende der Diktatur" und für die Rückkehr zur Verfassung von 1940 kämpfen würde. Matthews vermutete, dass er "demokratisch und daher anti-kommunistisch" sei. Seine offensichtliche Ausstrahlung wurde noch unterstrichen von den Fotos von Fidel in Militäruniform mit Zigarre und Bart - ein Bild, das bald zur Uniform aller linksradikaler Revolutionäre wurde.

Fidels Antikommunismus

Das Interview war ein riesiger PR-Erfolg für beide Beteiligten. Matthews wurde nun durch seine Überzeugung für Fidels Sache zum inoffiziellen Berater des US-Außenministeriums in kubanischen Fragen. Darüber hinaus hatte das Interview Fidel Castro in den Augen der USA zur führenden Figur der kubanischen Opposition gemacht, trotz seiner unbedeutenden Rolle als Anführer von 30 Männern, die sich ohne Ausrüstung und Unterstützung im Wald versteckt hielten.

Der Einfluss der US-Medien auf Kuba wurde klar als eingeschmuggelte Kopien der New York Times in den Cafés von Havanna eintrafen. Das führte zu dem meteoritenhaften Aufstieg von Fidel Castros Bekanntheitsgrad, wobei er als lebensfähige und sichere Alternative zu Batista dargestellt wurde, hinter der sich die zerspaltene Opposition in der kubanischen herrschenden Klasse vereinigen könnte. Für die vielen mit Batistas Korruption und Rücksichtslosigkeit Unzufriedenen stellten die anti-kommunistischen Aussagen eine Art Garantie des Privateigentums dar, sowie das Versprechen den Klassenkampf zu zügeln.

Daraufhin begannen einige Leute aus dem städtischen Bürgertum mit einem Schmusekurs gegenüber der Bewegung 26. Juli und in ganz Kuba begann eine Welle widerständischer Arbeitskämpfe gegen Batista. Im Jahr 1957 versuchten Student/innen ein erfolgloses Attentat auf Batista in seinem Büro, wobei ihr Anführer José Antonio Echevarría von der Palastwache erschossen wurde.

Echevarría war Leiter einer militanten Studenten­gruppe, aber seine unüberlegten Methoden führten zum Tod von 35 Student/innen und hatten zur Folge, dass nun keine Studentenbewegung gegen Batista mehr organisiert werden konnte. Von da an zogen sich die Student/innen zurück und verübten vereinzelte Bombenanschläge und andere Terrorakte, um den allgemeinen Widerstand gegen den Diktator Batista zu voranzutreiben. Tatsächlich wurde das ganze Land bald von einer Reihe von Bombenanschlägen erschüttert, die später dem Anti-Batista-Widerstand zugerechnet wurden. Die meisten davon standen jedoch nicht in Verbindung mit Fidel Castro und seiner aufständischen Guerillabewegung.

Skepsis

Fidel hatte, angespornt durch seine Berühmtheit in den USA und folglich in Kuba, einen Teil der Sierra Maestra zu seiner eigenen "befreiten Zone" erklärt und es gab Gerüchte, dass er Santiago de Cuba stürmen wolle, die nächstgrößte Stadt in der Provinz Oriente. Die Kubaner/innen verhielten sich jedoch weitgehend skeptisch gegenüber seinem Vorhaben. In der Provinz Escambray gelang es einer anderen Rebellenmiliz die taktisch wichtige Stadt Cienfuegos zu erobern, wo im Jahr zuvor ein vergeblicher Aufstand stattgefunden hatte. Gleichzeitig hatte Batista alle Hände voll zu tun, um die andauernden Bombenanschläge, die nun landesweit verübt wurden, in den Griff zu bekommen, damit er Recht und Ordnung aufrecht erhalten konnte.

Letzlich floh Batista aus dem unruhigen Havanna praktisch um Punkt Mitternacht an Silvester 1958. Vermutlich tat er das, weil er seine treuesten Anhänger in der Armee angesichts der destabili­sierenden Wirkung des zivilen Aufstands verloren hatte, gegen den er als Caudillo ein Vierteljahr­hundert zuvor angetreten war. Seine letzte Amts­handlung war die Ernennung seines Nachfolgers als Oberbefehlshaber der Streitkräfte, der sofort kapitulierte und die gesamte nationale Macht und die Streitkräfte an Fidel Castro übergab. Der hatte zuvor erklärt, die Provinz Oriente befände sich bereits unter seiner Gesetzgebung.

Nach der Übergabe der Macht des kapitulierenden Batista-Regimes an den auserwählten Nachfolger feierte Fidel seinen offensichtlich Sieg als der wortgewandte und romantische Robin Hood, dessen Bild Matthews dem Westen verkauft hatte und an dem die Linke bis heute festhält. Er stellt jenes Spiegelbild des besiegten Batista dar, das die internationalen Medien gesucht hatten. Nur sieben Tage nachdem Batistas Flugzeug den Internatio­nalen Flughafen von Havanna verlassen hatte, hatte das Weiße Haus Fidel Castro bereits als den neuen kubanischen Staatschef anerkannt.

Einschmeicheln

In Wahrheit hatte sich nach der Entfernung von Batista aus dem Amt die Machtübergabe an Fidel Castro natürlich länger hingezogen. Nachdem Fidel als Premierminister den liberalen bürgerlichen Dissi­denten Manuel Urrutia zum Präsidenten der Über­gangsregierung ernannt hatte, fuhr er nach New York, wo er sich bei den Medien einschmeichelte: Basketball spielen in Harlem, einen Hotdog essen und dann den US-Vizepräsidenten Richard Nixon davon überzeugen, dass er kein Kommunist sei.

Trotzdem erkannte Fidel, wie vor ihm Batista, die Macht der Kommunistischen Partei Kubas (PCC) als ein schwacher liberaler Minister nach dem anderen wegen Unstimmigkeiten über die (teilweise) Wiedereinführung der Verfassung von 1940 aus der Übergangsregierung zurücktrat. Auch die erstmaligen Mehr-Parteien-Wahlen und die Unter­stützung der, von der Sowjetunion unterstützten, Kommunist/innen in der mitregierenden Sozialis­tischen Volkspartei (PSP) zwangen innerhalb weniger Monate den Präsidenten Urrutia zum Rücktritt [nachdem er sich geweigert hatte Fidel zum Obersten Revolutionsführer zu ernennen].

Dieser wurde ersetzt durch Osvaldo Dorticós Torrado, ein reiches Mitglied der PSP. Im Jahr 1961 schloss sich die Bewegung 26. Juli mit der Sozialis­tischen Volkspartei (PSP) zusammen, die sich nun wieder Kommunistische Partei Kubas (PCC) nannte. Der Generalsekretär wurde Fidel Castro.

Wegen dem ganzen internen Streit und der Jagd nach Ämtern riskierte die Übergangsregierung die Kontrolle über die schnell voranschreitende soziale Revolution zu verlieren, die in dem annähernden Machtvakuum in der Zeit direkt nach der kuba­nischen Revolution von 1959 entstanden war. Daher erließ die Regierung einige Reformen, um einen ernsthaften sozialen Wandel zu verhindern. Mieten und Strompreise wurden von der neuen herrschen­den Kaste drastisch gekürzt, die ausserdem endlich ein Gesetz zu Landreform erließ, welches 20 Jahre zuvor von Batista vorgeschlagen worden war.

Die Verstaatlichung ausländischer Unternehmen, mit denen 1960/61 am meisten geprahlt wurde, fand vor allem wegen der gewünschten Profite für den kuba­nischen Staat statt, die nun nicht mehr, wie gewohnt, das Land verließen. Aber Fidel und Co. kamen so in zunehmenden Konflikt mit der beleidigten US-Regierung unter Präsident Eisenhower, der es ihm heimzahlen wollte. Das führte schließlich 1961 zu der berüchtigten Ausrufung des Sozialismus und der anschließenden Allianz mit der Sowjetunion.

Verschobener Blick

In den Bereichen in denen Fidel Castros Regime es geschafft hatte der kubanischen Bevölkerung [durch Währungsreserven und Rohstoffausbeutung] materiellen Wohlstand zu schaffen, wurde das hauptsächlich möglich durch das Ersetzen der korrupten Batista-Manager durch abkassierende Castro-Bürokraten (was nicht heissen soll, dass das Regime ohne Korruption sei). Ausserdem gab es die Reform-Häppchen, die der Bevölkerung vorgeworfen wurden, um ihre Unterstützung zu bekommen und die Welle der flüchtenden Familien einzudämmen, die das Land verließen. Die Revolution fand ihren Widerhall in Havannas Korridoren der Macht insofern, dass sie die Politik der herrschenden Klasse zu einem verschobenen Blick angeregt hatte.

Die Herrschaft nahm ein menschliches Gesicht an, seit das Kapital dazu vom Staat verwaltet wurde. Die Sozialprogramme wurden wichtiger als die freie Marktwirtschaft, aber die Klassenstruktur und die Machtverhältnisse wurden nicht beseitigt, ebensowenig wie Batistas treueste Anhänger/innen. Mindestens zwei Minister der Kommunistischen Partei in Castros Übergangsregierung waren eigentlich Veteranen des Militärputsches von 1952.

Gleichzeitig zu dem, was als Zweite Kubanische Revolution (1959-61) bezeichnet wird, hatten Castro und Co. die Jagd auf die unermüdlich militante und unabhängige Arbeiterschaft eröffnet, die versuchte sich dem wieder einmal veränderten politischen Klima anzupassen. Die Kooperativen der Arbeiter/­innen und Bäuer/innen waren landauf und landab hervorgesprossen: Schustereien, neu angelegte Reisfelder, Tabakfabriken (wie in Pinar del Río). Sie alle standen nun unter der zentralisierten Kontrolle des staatlichen Nationalen Instituts für Agrarreform und seiner kommunistischen Bürokrat/innen. Diese waren damit beschäftigt, die ehemals von Batista entworfenen Reformen umzusetzen.

Die kubanische Gewerkschaftsbewegung, die sich kaum von Batistas Repression erholt hatte, wurde "vorübergehend" übernommen von nicht-gewählten Führer/innen der Kommunistischen Partei. Die begannen sofort damit die Gewerkschaften von allen unabhängigen Stimmen zu säubern und verboten schließlich alle nicht-staatlichen Zusammenschlüsse von Arbeiter/innen und sogar das Streikrecht. Das führte dazu, dass Castros Regime vermehrt mit der korporativen Vereinnahmung der italienischen Arbeiter/innen durch den faschistischen Staat Mussolinis 40 Jahre zuvor verglichen wurde.

Eingesperrte Anarchist/innen

Der Widerstand gegen diese Konterrevolution führte zu Gefängnisstrafen und viele kubanische Anarchist/innen landeten gemeinsam mit Homo­sexuellen und rechtsradikalen Dissidenten in den berüchtigten kubanischen Arbeitslagern. Glücklicher­weise konnten die meisten Aktivist/innen in die USA fliehen, wo sie 1961 die Kubanische Libertäre Bewegung im Exil (Movimiento Libertario Cubano en el Exilio, MLCE) im Exil gründeten, die bis heute weiterhin aktiv ist.

Währenddessen scheint die Castro-Dynastie ihre kosmetischen Post-Fidel-Reformen (2006-2008) überstanden zu haben und macht in Havanna unbeirrt weiter. Die Kubaner/innen sind gezwungen sich ihre Grundnahrungsmittel auf dem Schwarzmarkt zu besorgen, während der Staat auf den Tourismus baut, um seine [nach dem Ende der Finanzhilfe der Sowjetunion] eingegangene Wirtschaft wiederzubeleben. Der kubanischen Arbeiterklasse wird sogar das Recht auf Auswandern verweigert, ebenso wie die rechtlichen Mittel, um sich gegen die Angriffe des Staatskapitalismus [wie unbezahlte Überstunden und Arbeitszwang] zu verteidigen. Sie hat dagegen irgendetwas zwischen stoischem Überlebensinstikt und trotzigem Humor entwickelt, während die internationalen Bedenkenträger/innen die unmenschliche Behandlung der Unzufriedenen durch den kubanischen Staat beklagen.

Das Beispiel Kubas steht als überprüfbarer Beleg für die Narretei, eine ganze Volksrevolution als den Verdienst eines einzelnen Mannes und seiner Clique darzustellen. Ausserdem dient sie der Unter­scheidung zwischen den leeren Versprechungen des Anti-Imperialismus im Gegensatz zu den eigent­lichen Aktivitäten des Klassenkampfes.

aus:

Direct Action (#45, Winter 2009),
Magazin der Solidarity Federation (SolFed-IAA), http://solfed.org.uk

Internationale Arbeiter/innen-Assoziation (IAA), http://iwa-ait.org


Übersetzung: Anarchosyndikat Köln/Bonn (August 2009), http://anarchosyndikalismus.org


Weiterführende Literatur:


- Sam Dolgoff: Leuchtfeuer in der Karibik.

Eine libertäre Betrachtung der

kubanischen Revolution.

Libertad-Verlag, Berlin, 1983;


- Frank Fernández: Anarchismus auf Kuba.

Syndikat-A, Moers 2007


Dieser Text ist gemeinfrei bei Nennung der Autor/innen bzw. Übersetzer/innen und der Webseite http://anarchosyndikalismus.org