24. IAA-Kongress in Porto Alegre (Brasilien), Dezember 2009:
Der 24. Kongress der Internationalen Arbeiter/innen-Assoziation (IAA) fand vom 4.-6. Dezember 2009 in Porto Alegre (Brasilien) statt. Er wurde damit zum ersten Mal [seit der Gründung im Jahr 1922 außerhalb von Europa] auf dem amerikanischen Kontinent abgehalten. Die Versammlungen fanden statt in dem [selbstverwalteten] Theater "De Artie" im historischen Stadtkern der Hauptstadt des brasilianischen Staates Rio Grande do Sul.
In dem Forum wurden die meisten IAA-Sektionen durch Delegationen vertreten:
- AIT-SP (Associaçăo Internacional dos Trabalhadoras - Secção Portuguesa) aus Portugal,
- ASI (Anarho-sindikalistička inicijativa) aus Serbien
- CNT (Confederación Nacional del Trabajo) aus Spanien,
- CNT (Confédération Nationale du Travail) aus Frankreich
- COB (Confederação Operária Brasileira) aus Brasilien,
- FORA (Federacion Obrera Regional Argentina) aus Argentinien,
- KRAS (Konfederacija revoljucionnych anarchosyndikalistov) aus Russland,
- Priama Akcia aus Slowenien,
- SF (Solidarity Federation) aus Britannien,
- NSF (Norsk Syndikalistik Forbund) aus Norwegen,
- USI (Unione Sindacale Italiana) aus Italien,
Die Związek Syndykalistów Polski (ZSP) aus Polen war als Beobachterin angereist und wurde während des Kongresses als Sektion der IAA aufgenommen. [Zur AL (Awareness League) aus Nigeria besteht seit Jahren kein Kontakt mehr, weshalb sie von der Mitgliedsliste gestrichen wurde].
Zwei Sektionen hatten ihre schriftlichen Beschlüsse geschickt: die FAU (Freie Arbeiter/innen-Union) aus Deutschland und die FAS (Federace anarchistických skupin) aus Tschechien [die wohl wieder aktiv werden will]. Außerdem wurden Grüße geschickt von anarchosyndikalistischen Organisationen aus Chile, Peru, Australien und den USA.
Die Delegierten der anarchosyndikalistischen Organisationen der Welt haben sich in einem für die Internationale schwierigen Moment versammelt, da im September 2009 der IAA-Sekretär Ratibor Trivunac in Belgrad (Serbien) zusammen mit anderen Aktivist/innen der ASI und serbischen Anarchist/innen verhaftet wurde. Ihnen wird vorgeworfen, sie hätten auf die griechische Botschaft in Belgrad einen Brandanschlag mit Molotov-Cocktails verübt, wobei der Zwischenfall wegen des minimalen Schadens eher symbolischer Natur war. Die inhaftierten Genoss/innen haben jede Verbindung zu der Tat von sich gewiesen und es gibt auch keine wirklichen Beweise. Trotzdem werden sie vom serbischen Staat wegen "Internationalem Terrorismus" angeklagt, wobei ihnen 15 Jahre Gefängnis drohen.
Die Verhaftungen des IAA-Sekretärs hatten außerdem die Tätigkeit des Sekretariates zeitweise zum Erliegen gebracht und der Kongress musste fast abgesagt werden. Jedoch konnte auf die Schnelle eine Sonderkommission aufgestellt werden, die zusammen mit dem provisorischen Sekretariat und der Unterstützung durch Genoss/innen aus Brasilien die Vorbereitungen für das Forum in Porto Allegre abschließen konnten.
Daher war es keine Überraschung, dass der Fall der "Belgrader 6" als wichtigster Punkt auf der Tagesordnung stand. Die Delegeation der ASI präsentierte einen genauen Bericht über die Situation und die Perspektiven der Gefangenen, der ausführlich diskutiert wurde. Die Redner/innen und Delegierten hielten fest, dass dass die aktuelle Repression nicht nur eine Sache der serbischen Genoss/innen ist, sondern dass dieser Fall geplant und konstruiert wurde, um eine Sektion der IAA zu zerschlagen. Die serbische Regierung versucht ein Urteil herbeizuführen, mit dem sie in Zukunft gegen jede Form von sozialem Protest, Widerstand und Opposition vorgehen kann. In diesem Sinne ist das Belgrader Modell strukturell vergleichbar mit dem Fall von Sacco und Vanzetti.
Daher ist es nötig, das eine groß angelegte, internationale Solidaritätskampagne für die Gefangenen gestartet wird. Damit soll die internationale wissenschaftliche und kulturelle Gemeinschaft, sowie Menschenrechtsorganisationen in aller Welt aufmerksam gemacht werden. Unterschriften für einen Protestbrief sollen gesammelt und Rechtsanwält/innen aus dem Ausland sollen als Prozessbeobachter/innen eingeladen werden, der im Frühjahr 2010 beginnen soll. Doch das Wichtigste ist, dass die Aktionen und Proteste in den verschiedenen Ländern stattfinden und koordiniert sind. Gleichzeitig hat die Komission beschlossen, die Unterstützung für die Gefangenen zu organisieren.
Ein weiteres Thema des Kongresses war die aktuelle katpitalistische Krise mit ihren gesellschaftlichen Auswirkungen. Die verschiedenen IAA-Sektionen sind aktiv beteiligt an dem Kampf gegen Fabrikschließungen und Arbeitslosigkeit, sowie gegen Prekarisierung bzw. Verschlechterung der Arbeitsbedingungen usw. Die Delegierten unterstützten den Vorschlag für eine internationale anarchosyndikalistische Kampagne. Daher werden für die letzten zwei Aprilwochen bis zum Ersten Mai 2010 koordinierte Aktionen gegen Leiharbeit vorbereitet. Zur gleichen Zeit im darauffolgenden Jahr plant die IAA Aktionstage gegen Grenzen und für Solidarität mit migrantischen Arbeiter/innen.
Es wurde beschlossen, dass die Aktionen der IAA-Sektionen sich gemeinsam gegen die Prekarisierung durch transnationale Firmen und Zeitarbeit richten sollen. Außerdem sollen die Kontakte zwischen den Mitgliedern aus verschiedenen Ländern vertieft werden, die im gleichen Wirtschaftsbereich arbeiten. Die Möglichkeit einen symbolischen internationalen Kampf und Streik gegen Krieg zu organisieren wurde erörtert, ebenso wie die Notwendigkeit der aktiven Verbreitung anarchosyndikalistischer Ideen und Praktiken in aller Welt (wobei unter anderem China als eine der Regionen genannt wurde, auf die wir unsere Bestrebungen ausrichten sollten).
Die Delegierten des Kongresses haben die Vorschläge zur Änderung des Abstimmungsverhältnisses und der Aufnahmebedingungen der Internationale abgelehnt. Die Anarchosyndikalist/innen bauen auf das föderale System von "Eine Sektion, eine Stimme" und sprechen sich gegen das Prinzip der Stellvertretungsdemokratie aus, welches größeren Sektionen einen Vorteil verschaffen würde. Der Kongress hat den Standpunkt bestätigt, dass Mitglieder politischer Parteien keine verantwortlichen Posten innerhalb der Internationale übernehmen können.
Eine heikeles Thema für einige Sektionen ist die Tatsache, dass dissidente Gruppierungen in manchen Ländern versuchen ihren Namen zu vereinnahmen und fälschlicherweise behaupten, sie seien ebenfalls Mitglieder der Internationale. In diesem Sinn ruft die betroffene USI aus Italien zur Unterstützung ihrer Kampagne gegen die abgespaltene Fraktion der "USI-Roma" auf. Vergleichbare Probleme gibt es auch in Frankreich, weshalb die Delegierten der dortigen CNT den italienischen Genoss/innen gegenüber in diesem Punkt ihre absolute Solidarität zugesagt haben. Außerdem war es in Russland kürzlich zu einer feindseligen Aktion einer kleinen Gruppe gekommen, die wegen gewerkschaftsfeindlicher und kulturalistischer (ethnisch-nationalistischer) Handlungen aus der KRAS ausgeschlossen worden war. Der Kongress der IAA hat den Sektionen, die sich in einer solchen Situation befinden oder befunden haben, eine eindeutige Anerkennung bestätigt.
Es wurde beschlossen, dass für 2010 in Kroatien ein internationales Sommercamp organisiert werden soll [wobei die spanische CNT trotzdem ihr Sommercamp durchführen wird]. Die verschiedenen IAA-Sektionen haben ihre Unterstützung für die Weiterentwicklung des Anarchosyndikalismus in Lateinamerika zugesagt. Die brasilianische COB, die kongressbegleitend noch verschiedene andere Konferenzen und Kulturveranstaltungen organisiert hatte, erklärte, dass die Lage der Arbeiter/innen in Brasilien sehr schwierig sei. Die Repression hat viele negativen Auswirkungen auf eine unabhängige Arbeit und auf die anarchistische Bewegung. Die IAA hat zudem beschlossen, finanzielle Hilfe für Bibliotheken und Bildungseinrichtungen zu leisten, um einen öffentlichen Radiosender zu ermöglichen. Gleichzeitig zum Kongress fand ein Seminar über "Freie Gewerkschaften in Amerika" statt, sowie ein landesweites Treffen der COB. Dabei hatten Delegierte der Arbeiterföderationen Rio Grande do Sul und São Paulo, sowie von Initiativen aus Santa Catarina, Bahia und Sergipe dem bekannten Syndikalisten und Historiker Edgar Rodriguez gedacht, der im Mai 2009 verstorben war.
Auf dem Kongress hatten die Genoss/innen der COB eine Ausstellung [mit Wandgemälden] über die aktuelle Geschichte in Brasilien, sowie über Anarchosyndikalismus, libertäre Bildung und Kollektivierungen in der Spanischen Revolution gezeigt. Und besonders wichtig waren natürlich der interessante Meinungsaustausch mit Mitgliedern anderer Delegationen und den Aktivist/innen aus Brasilien und Argentinien.
Der nächste Kongress ist für 2013 in Spanien geplant, bis dahin übernimmt die norwegische NSF die Sekretariatsaufgaben. Insgesamt kann - abgesehen von einigen technischen Problemen - der 24. Kongress der IAA als ein Erfolg angesehen werden, der hoffentlich zur Entwicklung und weltweiten Verbreitung des Anarchosyndikalismus beigetragen hat.
El Miliciano, CNT-AIT Chiclana,
http://elmilicianocnt-aitchiclana.blogspot.com/2009/12/cronica-xxiv-congreso-de-la-ait.html
Übersetzung [und Anmerkungen]: Anarchosyndikat Köln/Bonn,
http://anarchosyndikalismus.org
Kontakt zur IAA:
http://www.iwa-ait.org
Kontakte zur COB in Brasilien:
http://cob-ait.net/,
http://fospcob.blogspot.com/,
http://osyndicalista.blogspot.com/,
http://fogocob.blogspot.com/,
http://sindivarios.blogspot.com/,
http://fosp.anarkio.net/,
http://www.grupos.com.br/blog/sindivariosspfospcobacatait/,
http://aplebe.wordpress.com/,
http://www.grupos.com.br/blog/uniao.operaria.jf/,
http://cepsait.webnode.com/
Dieser Text ist gemeinfrei bei Nennung der Autor/innen und Übersetzer/innen, sowie der Webseite http://anarchosyndikalismus.org