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Solidarity Federation:

Der soziale und wirtschaftliche Hintergrund der Aufstände in Britannien


Wie wir in der Berichterstattung der Medien sehen konnten, gab es in ganz Britannien Aufstände. Dass sie stattfanden ist keine Überraschung, denn große Teile der britischen Arbeiterklasse lebt in Armut und sozialer Ausgrenzung. Viele Arbeiterstadtteile haben sich nie von der Schließung der traditionellen Industrien, wie Kohle, Stahlproduktion und Maschinenbau, erholt.

Das geht zurück auf die 1970er und '80er Jahre in denen die Grundlage der britischen Fabrikproduktion abgebaut wurde. Anfang der '80er gab es Millionen Arbeitslose und es kam zu Aufständen. Diese Krawalle hatten ihren Schwerpunkt jedoch in den Innenstädten und Sozialwohnungs-Siedlungen, wo sich große kommunal geförderte Wohnblocks befinden, die zu den ärmsten im Land gehören. Die Innenstädte haben jedoch einen eher hohen migrantischen Einwohneranteil und die Sozialwohnungsbauten hingegen sind mehr von der weißen Arbeiterklasse geprägt. In den '80ern versuchten die Medien daher die Aufstände als „Rassenunruhen“ darzustellen. Doch da sich viele Leute aus den städtischen Siedlungen der weißen Arbeiterklasse daran teilnahmen, waren die Medien gezwungen den Versuch aufzugeben, die Einwanderern für die Aufstände verantwortlich zu machen.

Obwohl sich danach Britannien bis zu einem gewissen Grad von dem Verlust der Industrieproduktion erholt hat, bedeutete der Zusammenbruch der organisierten Arbeiterklasse eine zunehmende Konzentration des Wohlstands an der Spitze der Gesellschaft. Die Ungleichheit ist heute etwa so weit verbreitet, wie schon im 18. Jahrhundert. Die Lage in den Innenstädten und den Sozialwohnungs-Siedlungen hat sich seit den '80ern in vielen Bereichen noch weiter verschlimmert. Der Reichtum ist bei den obersten 10% der Bevölkerung versammelt und die Armut bei den untersten 20% der Bevölkerung hat zugenommen.

Die Arbeitslosigkeit ist im Allgemeinen hoch und die Jugendarbeitslosigkeit ist in den städtischen Sozialsiedlungen und den Innenstädten sehr weit verbreitet. Die Kriminalität dort ist alltäglich und Drogengebrauch, sowie die damit verbundenen Verbrechen, sind ebenfalls weit verbreitet. Die Sterblichkeitsrate liegt in diesen Gebieten über derjenigen in den reicheren Teilen des Landes. Auch gesellschaftliche Ausgrenzung findet vermehrt statt und das Leben dort ist ganzschön hart, da die Meisten damit beschäftigt sind um's Überleben zu kämpfen. Es ist also kein Wunder, dass die jüngsten Aufstände genau in den Innenstädten und Sozialsiedlungen stattfanden.

Der Staat und der Dienstleistungsbereich konnte in den letzten 20 Jahren bis zu einem gewissen Grad die Lücke füllen, die der Verlust der Fabrikarbeitsplätze verursacht hatte. Doch diese Jobs waren oft nur zeitlich begrenzt und schlecht bezahlt. Die Löhne im öffentlichen Dienst und im Dienstleistungsbereich sind meist derart niedrig, dass sie mit staatlichen Zuschüssen aufgestockt werden müssen. Daher müssen nun sogar die Berufstätigen Sozialleistungen beantragen. Als Teil der momentan in Britannien vorgenommenen Kürzungen sind die Mitarbeiter/innen des Öffentlichen Dienstes am härtesten getroffen, da hunderttausende staatliche Arbeitsplätze gestrichen werden sollen. Und weil die ärmsten Gegenden seit dem Niedergang der Industrieproduktion am meisten von staatlichen Jobs abhängig sind, werden sie am schlimmsten unter diesem Arbeitsplatzabbau zu leiden haben.

In den Innenstädten und Sozialsiedlungen ist das Leben für junge Leute besonders hart. Wie in jeder Wirtschatfskrise ist die erste Maßnahme der Arbeitgeber/innen, keine Arbeiter/innen mehr einzustellen. Das bedeutet, dass es einfach keine Arbeitsplätze für Schulabgänger/innen mehr gibt. Offiziell sind in Britannien eine Millionen Jugendliche arbeitslos, aber in Wirklichkeit liegt die Zahl viel höher. Außerdem haben Regierung und Medien die Arbeitslosen in den letzten Jahren als arbeitsscheue „Schmarotzer“ angegriffen, die sich mit staatlichen Sozialleistungen ein schönes Leben machen würden. Es wurden daher nicht nur die Sozialausgaben gekürzt, sondern den Antragsteller/innen wurde das Leben schwergemacht, indem sie andauernd belästigt, überprüft und gezwungen wurden, ihre Suche nach einem Job nachzuweisen.

Unnötig zu erwähnen, dass sich bei den Leuten in den Innenstädten und Sozialsiedlungen eine Menge Wut angestaut hat - besonders bei den Jugendlichen, die von Staat und Polizei andauernd bedrängt werden. Die junge Arbeiterklasse wird außerdem von Medien und Politiker/innen als dumm und gewalttätig dargestellt. Und mit dem neuen, weitverbreiteten Schimpfwort „chav“ werden sie Tag für Tag auf's Neue beleidigt. Das Ausmaß des Hasses bei jungen Leuten ist daran erkennbar, wie schnell sich die Aufstände ausgebreitet haben. Es war eine regelrechte Explosion des Hasses der Ausgeschlossenen und Verlassenen.

Das Problem ist, dass die Wut dieser jungen Leute keine Richtung hat. Obwohl die Mehrzahl der Plünderungen bei großen Geschäften stattfand, wurden auch einige Läden und Wohnhäuser in den Arbeiterstadtteilen angegriffen, was die Anwohner/innen dort verängstigte. Die Wut ist nicht organsiert, doch hoffentlich wird sich das im Laufe der Zeit verändern.

Die reformistischen Gewerkschaften in Britannien haben es nie geschafft in den Arbeiterstadtteilen und bei den Arbeitslosen Mitglieder zu organisieren, weshalb den jungen erwerbslosen Arbeiter/innen die Gewerkschaftsidee nicht bedeutet. Im Bestreben der Solidarity Federation eine funktionierende Gewerkschaft aufzubauen, haben wir auch eine kommunale Strategie entwickelt. Diese soll sicherstellen, dass wir uns als anarchosyndikalistische Gewerkschaft sowohl am Arbeitsplatz, wie auch am Wohnort organisieren.


In der letzten Woche hat die Solidarity Federation Stellungnahmen abgegeben, die die wahre Natur der Aufstände widerspiegeln. Einige unserer Kommentare wurden von landesweiten Medien aufgegriffen und als Folge davon war unsere Webseite mehrfach überladen zusammengebrochen, weil die Leute nach weiteren Information gesucht haben. Außerdem planen wir Flugblätter in den Wohngebieten der Arbeiter/innen zu verteilen. Doch das Ziel der Solidarity Federation ist es, in den Arbeiterstadtteilen eine dauerhafte Präsenz aufzubauen, um an dem täglichen Kampf der Arbeiter/innen gegen den Kapitalismus teilzunehmen.


Internationales Sekretariat der Solidarity Federation (SF-IAA)

http://www.solidarityfederation.org.uk/


Quelle: http://iwa-ait.org/?q=node/147


Übersetzung: Anarchosyndikat Köln/Bonn, http://anarchosyndikalismus.org


Creative Commons: Dieser Artikel ist gemeinfrei bei Nennung der Autor/innen und Übersetzer/inen, sowie der Webseite http://anarchosyndikalismus.org