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Solidarity Federation (SolFed-IAA):

"Industrial Workers of the World -
Hundert Jahre Wobblies" (1905-2005)

Im späten 18. Jahrhundert entwickelte sich in Nord­amerika aus der Kombination von europäischen Immigrant/innen mit anarchistischen Ideen und einer starken anti-staatlichen Tradition der US-Arbei­ter/innen eine aufblühende anarchistische Stömung
. Ab den 1880er Jahren prägten anarchistisch be­einflusste Vorstellungen die entstehende revolu­tionäre Bewegung in der USA. Anarchistische Gruppen wurden überall in Nordamerika gegründet und produzierten eine Vielzahl von Zeitungen und Zeitschriften in unzähligen unterschiedlichen Sprachen.

Es war kein Zufall, dass die Anarchist/innen in Chicago im Zentrum einer Bewegung standen, die in den Gewerkschaften ein Mittel zum Erreichen einer anarchistischen Gesellschaft sahen. Seit vielen Jahren waren sie aktiv am Arbeitsplatz gewesen und hatten eine herausragende Rolle im Kampf für den 8-Stunden-Tag gespielt. Dieser Kampf hatte 1886 zu der schicksalhaften Demonstration auf dem Haymarket in Chicago geführt [an die wir noch heute am Ersten Mai gedenken].

Anarchosyndikalistische Ideen wurden auch in zahl­reichen Gruppen entwickelt, besonders in Paterson / New Jersey, wo spanische und italienische Anar­chist/innen aktiv waren. Sie schrieben zahlreiche Artikel, in denen sie über die Entwicklung des euro­päischen Snydikalismus berichteten. Und sie gründeten eine Gewerkschaft der Seidenwe­ber/innen, die später den Industrial Workers of the World (IWW) – auch Wobblies genannt – beitrat.
Die Anarchist/innen spielten auch eine wichtige Rolle bei der Verbreitung des Anarchosyndikalismus unter den Minenarbeiter/innen im Westen der USA, die zu der weiteren Entwicklung viel beigetragen haben. In dem Manifest des Kongresses, der im Januar 1905 zur Gründung der Industrial Workers of the World führte, wurden die grundlegenden Prinzipien des Anarchosyndikalismus klar benannt. Der Hauptverfasser des Manifests, Thomas J. Hagerty, war beeinflusst von den anarchosyndi­kalistischen Ideen aus Europa.

Politische Parteien


Das Originalmanifest sah keinen Spielraum für po­litische Parteien vor und erklärte, dass die Arbeiter/innen sich nach Branchen organisieren soll­ten, um „das, was durch eine wirtschaftliche Orga­nisation der arbeitenden Klasse hergestellt wird, zu nehmen und festzuhalten“.
Auf der Grundlage dieses Januar-Manifests wurde – ebenfalls in Chicago – am 27. Juni 1905 ein Kongress organisiert. Die Western Federation of Miners (WFM) stellte unter der Führung des Versammlungsvorsitzenden Bill Hayward den größten Anteil der Anwesenden. Die WFM war eine radikale Industriegewerkschaft aus dem Westen der USA, die in den Jahren zuvor eine Menge harter Auseinandersetzungen mit den Minenbesitzer/innen hatte. Die Bosse hatten sogar ihre Privatarmeen gegen die streikenden Arbei­ter/innen eingesetzt. Teilnehmende Delegierte kamen auch von sozia­listischen Organisationen, inklusive der beiden größ­ten Parteien der US-amerikanischen Sozialist/innen, der Socialist Labour Party (SLP) und der Socialist Party of America (SPA).

Von Anfang an hat sich die neue Gewerkschaft gegen den Rassismus ausgesprochen. Der Kon­gress erklärte, dass alle Lohnarbeiter/innen als Mit­glied aufgenommen werden könnten, ohne Rück­sicht auf Beruf, „Rasse“, Glaube oder Geschlecht. Anti-Diskriminierung und Internationalismus wurden schnell Bestandteile ihrer Gewerkschaftskultur und ihre beiden größten Stärken.
Besonders der Rassismus wurde als Hauptfaktor angesehen, den der Kapitalismus benutzt, um die Klasse der Arbeiter/innen zu spalten. Das betraf so­wohl schwarze Amerikaner/innen, wie auch die neu angekommenen Asiat/innen und Europäer/innen. Die American Federation of Labour (AFL) war hin­gegen offen rassistisch. [...]

Vom ersten Tag an gab es bei den Industrial Wor­kers of the World eine widersprüchliche Diskussion über ihr Verhältnis zu politischen Parteien. Die Klausel, die jede Rolle von Parteien in den Kämpfen der Arbeiter/innen ausschloss, war durch die Beharr­lichkeit des Anführers der Socialist Labour Party, Daniel De Leon, wieder fallengelassen worden.

De Leon, der erst kurz zuvor zum industriellen Unio­nismus übergetreten war, war ein großer Verehrer [des russischen Bolschewisten] Lenin. Dieser entwickelte später die Idee, die wirtschaftliche Macht der Arbeiter/innen zu benutzen, um selbst in Russ­land die Staatsmacht zu übernehmen.
Nach langer Debatte wurde ein Kompromiss erreicht, der sowohl den Generalstreik, wie auch die Rolle politischer Aktionen, in das Grundsatz­programm aufnahm.

Wendepunkt

Auf dem IWW-Kongress im Jahr 1908 wurde ein An­trag angenommen, der jeden Bezug auf politisches Handeln im Grundsatzprogramm wieder rückgängig machte. Als Antwort darauf gründeten die Delegierten der Socialist Labour Party (SLP) eine konkurrierende Organsiation unter dem Namen der IWW, die ihren Sitz in Detroit hatte, aber wenig Einfluss besaß. Das war ein Wendepunkt in der Geschichte der Industial Workers of the World.
Nach Loslösung der SLP entwickelten die Wobblies in den folgenden Jahren den Kern ihrer revolutio­nären Strategie. Diese Strategie bestand daraus, eine große Gewerkschaftsunion („One Big Union“) aufzubauen. Dies sei der Weg, um „die neue Gesellschaft in der Hülle der alten zu formen“. Im Laufe der Zeit sollte ein Punkt erreicht werden, an dem die Organsiation der Arbeiter/innen mächtig genug sein wird, um mittels eines Generalstreiks die Produktionsmittel zu übernehmen und das Lohn­system abzuschaffen. Kurz gesagt: Dies würde zur Einführung der industriellen Demokratie in einem Gemeinwesen der Arbeiter/innen führen.

Die Stimmstärke, die es der Organsiation ermöglicht hatte, dem Einfluss der Socialist Labour Party zu entgehen, kam hauptsächlich aus den Gruppen der Westküste. Während der folgenden Jahre war es dieser lebhafte Teil der IWW, der eine Kultur des Widerstandskampfes schuf. Diese bildete das zen­trale Wesen der Organisation und da sie oft durch den Anarchismus beeinflusst war, lehnten die Wobb­lies sowohl den Kapitalismus ab, wie auch den Staat.

Die IWW hatten ein tiefes Misstrauen gegenüber politischen Parteien und Führern allgemein ent­wickelt, das sie auch auf die Leitung der Gewerk­schaft ausweiteten. Die Radikalen im Osten der USA waren jedoch den Arbeiter/innen im Westen nicht besonders wohl gesonnen. Von den Anhän­ger/innen De Leons wurden sie als die „Blaumann-Brigade“ beschimpft und die sparten im Gegenzug nicht mit ihrer Kritik an den sozialistsichen Intel­lektuellen an der Ostküste. [...]

Die ungelernten Arbeiter/innen im Westen zu orga­nisieren war auch keine leichte Aufgabe. Die west­lichen USA waren weit weniger industrialisiert als die Ostküste. Zum Großteil waren es Wanderarbei­ter/innen, die keinen festen Wohnsitz hatten, an dem sie real organisiert werden konnten. Als Alternative schufen die westlichen Arbeiter/innen die „gemischten Lokale“ als Grundlage ihrer Organi­sierung. Mit der Gewerkschaftshalle als Mittelpunkt war das gemischte Lokal eine geographisch an­gelegte Organisation, die sowohl Arbeitende, wie auch Arbeitslose, umfasste. Das stand im Gegen­satz zu den auf den Arbeitsplatz begründeten Gewerkschaftslokalen einer Vielzahl der ostameri­kanischen IWW.


Die Gewerkschaftshalle begann sich als ein Zentrum für das organisatorische Leben der Arbeiterklasse zu entwickeln und wurde zu einem geistigen und kulturellen Mittelpunkt vor Ort. Hier wurde die Grundlage für eine alternative Arbeiterkultur gelegt, in deren Mittelpunkt die Ideen der Solidarität und des Kampfes standen. Die IWW-Gruppen des Wes­tens schufen durch die Verbindung von Kunst und Politik eigene Theaterstücke, Gedichte, Lieder und Cartoons. Durch einen aussagekräftigen, gefühl­vollen und persönlichen Ausdruck suchten die Wobblies ein Verständnis der Welt aus dem Blick­winkel der Arbeiterklasse. Sie schufen damit eine reichhaltige Kultur aus Einheit und Vielfalt zugleich.


Redefreiheit

Aus dieser Kultur der Solidarität und des Selbstbe­wusstseins entwickelte sich die berühmte Kampag­ne für Redefreiheit, die vor dem Ersten Weltkrieg [1914-1918] die IWW ins Rampenlicht der Öffentlich­keit brachten. Die Kampagne für Redefreiheit er­wuchs aus dem Kampf gegen die Arbeitsagenturen, die in jenen Städten der Westküste tätig waren, die der Minen-, Holz- und Landwirtschaftsindustrie als Einfallstore dienten.
Die Wobblies riefen zum Boykott dieser Agenturen auf und forderten, dass die Arbeiter/innen statt­dessen über die Gewerkschaftslokale angeworben werden sollten – ähnlich der kurz zuvor erfolgreichen Kampagne der französischen Gewerk­schaft CGT (Confederation National du Travail).

„Seifenkisten-Redner“, die am weitesten verbreitete Form der Agitation der IWW, stellten sich vor den Arbeitsagenturen auf Holzkisten und prangerten deren korrupte Praktiken an. Die Polizei antwortete mit einem Verbot der Straßen-Ansprachen.
Von 1908 bis 1916 wurde die Kampagne für Rede­freiheit zum Brennpunkt einem erbitterten Kampf zwischen den Industrial Workers of the World und der US-Regierung, während der etwa 5.000 Mit­glieder der IWW eingesperrt wurden. Die Gefäng­nisse füllten sich rasend schnell und das zwang den Staat zu einem Rückzug. Im Laufe der erfolgreichen Kampagne legten die IWW außerdem auch die Gewalttätigkeit des US-Gefängnissystems offen.

Die Begeisterung für Gemeinschaft, Kultur und Redefreiheit hielten die IWW aber nicht davon ab, gegen die Kapitalist/innen am Arbeitsplatz vorzu­gehen. Nach einigen schwierigen Jahren hatten sie 1910 einiges ihrer früheren Stärke wiedererlangt und mehrere Streiks organisiert.
Der vielleicht berühmteste Streik war in Goldfield / Nevada, wo die Wobblies den Versuch unter­nahmen alle 30.000 Einwohner/innen zu organi­sieren. Sie gewannen den Kampf für den 8-Stunden-Tag und erkämpften einen Mindestlohn von $ 4,50. Doch dann wurden sie brutal von der Miliz unter­drückt. Bis 1912 waren die IWW stark genug, um sich auf eine Auseinandersetzung einzulassen, die als die beiden Streiks von Lawrence und Paterson berühmt wurde. In Lawrence, einer Textilindustriestadt in Massa­chusets, schufteten 30.000 eingewanderte Arbei­ter/innen unter erbärmlichen Bedingungen.

Die Organisierung war besonders schwierig, weil die Arbeiter/innen aus über einem Dutzend Länder mit vielen verschiedenen Sprachen kamen. Von Anfang an war der Streik in Lawrence eine Art Aufstand. Die IWW machten keinen Versuch ihre revolutionären Ideale herunterzuspielen. Im Gegenteil, sie ver­suchten ein revolutionäres Bewusstsein bei den Arbeiter/innen zu wecken. Der Staat schickte 1.500 Milizsoldaten, die von der Polizei unterstützt wurden.


Schockwellen

Während dieser erbitterten Auseinandersetzung setzten die Sicherheitskräfte Schusswaffen, Schlagstöcke und Bajonette ein, um die streikenden Arbeiter/innen wieder zur Arbeit zu zwingen, wo­durch viele getötet wurden. Hunderte wurden ver­haftet, manche unter falschen Mordanklagen. Dessen ungeachtet erstritten die IWW einen über­wältigenden Sieg mit einer Lohnerhöhung von 25% für ungelernte Arbeiter/innen. Ein Ergebnis war, dass sich die American Federation of Labour (AFL) ebenfalls gezwungen sah, die Löhne in 32 Städten um 8% anzuheben. Dieser Streik sendete Schock­wellen durch ganz Amerika und war ein Startschuss für die unorganisierten Arbeiter/innen.


Als nächstes kam dann Paterson im Jahr 1913, das ein Zentrum der Seidenweberei in der Nähe von New York war und eine starke anarchistische Tradi­tion hatte. Die IWW strebten einheitliche Löhne für 25.000 Arbeiter/innen an. Der Streik endete jeden­falls in einem Misserfolg nachdem die Milizen mona­telang rücksichtslos gewütet, mehrere Arbeiter/innen ermordet und hunderte festgenommen hatte. Das war ein schwerer Rückschlag, obwohl die beiden Er­eignisse in Lawrence und Paterson den Wobblies den Ruf einer furchteinflößenden Organisation eingebracht hatten.


Hinter dem Wachstum und Erfolg der IWW verbarg sich jedoch ein zunehmender Streit über die innere Demokratie. Die westamerikanischen lokalen Grup­pen waren überzeugt, dass die Gewerkschaft zu sehr zentralisiert war. Auf dem Kongress von 1911 hatten ihre Delegierten versucht, Anträge zur Be­schränkung der Macht des Allgemeinen Verwal­tungsausschusses (General Executive Board) zu begrenzen und sie den Regionen zu übertragen. Trotz einer Ablehnung der Anträge spiegelte dies einen wachsenden Riss zwischen dem östlichen und dem westlichen Flügel der Organisation wider.

Auf dem folgenden Kongress kam 1912 der Streit um die Zentralisierung erneut zum Vorschein. Die östlichen Sektionen wollten die Kampagne für Rede­freiheit unter die Kontrolle des General Executive Board stellen. Dies brachte die westlichen Delegier­ten zum Aufruhr und verstärkte die Ängste vor einer zentralen Macht. […] Die Spaltung zwischen Ost und West spiegelte die beiden verschiedenen Kulturen wider, die in den unterschiedlichen Be­dingungen begründet waren. Für die östlichen Wobblies war die Organisation am Arbeitsplatz viel wichtiger. Der Westen war viel weniger industrialisiert und es gab dort eine hohe Zahl von Wanderarbeiter/innen, die zu vielen Themen ihre Kampagnen machten.
Unzweifelhaft war und bleibt, dass der Anarcho­syndikalismus jeder Zentralisierung widerspricht. Daher ist es nicht verwunderlich, dass vielen die In­dustrial Workers of the World als über-zentralisiert erschienen. Das heisst aber nicht, dass die An­archosyndikalist/innen bei den IWW-Kongressen viele der westlichen Anträge unterstützt hätten. Wenn diese angenommen worden wären, hätten sie die IWW auf eine locker genüpfte Konföderation von autonomen Gruppen reduziert, was wahrscheinlich den Zusammenhalt gefährdet hätte.

Letzendlich endete der Kongress von 1913 in einer Niederlage für die westlichen Delegierten. Nicht nur, dass ihre Anträge abgelehnt wurden, auch ihre Angst vor der Zentralisierung wurde bestätigt. Denn es wurde ein Antrag angenommen, der alle Ver­öffentlichungen unter die Aufsicht des General Executive Board stellte. Am schlimmsten war, dass dieser bittere Streit die gesamte Organisation tief gespalten hatte.
Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 führte zu einer geringen wirtschaftlichen Aktivität und zu einer Verknappung der Arbeit. Die IWW nutzten die Gele­genheit, um Zugeständnisse zu gewinnen und Arbei­ter/innen zu werben, was zu einer Blütezeit für sie wurde. Um 1917 lag die Mitgliederzahl bei 150.000, wobei große Sektionen und Gewerkschaften in den Branchen Metall, Bergbau, Eisenbahn und Schiff­fahrt, sowie Land- und Forstwirtschaft organisiert waren. Ab diesem Zeitpunkt führten der Erfolg und die revolutionäre Politik der Wobblies zu einem direkten Konflikt mit dem Staat.

Staatliche Repression


Von Anfang an hatten die IWW erklärt, dass die absolut gegen den Krieg waren. Bill Hayward sagte, es sei besser sein Land zu verraten als seine Klasse. Die Wobblies organisierten weiterhin Streik­aktionen, wo immer es möglich war. Im September 1917 durchsuchten die staatlichen Autoritäten landesweit alle Einrichtungen der IWW. Sie durchwühlten alles, was sie finden konnten und verhafteten jedes Mitglied, das sie antrafen. Tausende Wobblies wurden, ebenso wie andere Anarchist/innen und Sozialist/innen, wurden verfolgt, festgenommen und abgeschoben, weil der Staat versuchte die Industrial Workers of the World zu zer­schlagen. Die schwere und langandauernde Welle der Verfolgung hielt bis zum Ende des Ersten Welt­kriegs [1918] an und ging auch danach noch weiter. Ebenso wie unter dem direkten staatlichen Terror, litten die Wobblies auch unter der Gewalt von staat­lich geschützten Schlägerbanden. Wer während des Krieges ein IWW-Mitglied war, dem drohten Prügel, Erschießung oder Lynchmord. Zynisch gesprochen könnte man sagen, dass der Staat dadurch die reformistischen Gewerkschaften unterstützt hat.


Die Bundesarbeitsgesetze führten erstmals eine staatliche Vermittlung bei Arbeitskämpfen ein, sowie das Recht auf gemeinsame Auszahlung für Mitg­lieder der American Federation of Labour, und darüber hinaus einen Mindestlohn und den allgemeinen 8-Stunden-Tag. Die reformistischen Gewerkschaften waren schnell damit einverstanden als der Staat versuchte sie in den Kriegseinsatz einzuspannnen. Im Jahr 1919 wurde in 23 US-Staaten ein gesetz­liches Verbot des Syndikalismus eingeführt. Über Nacht fanden sich die Wobblies im ganzen Land einer drohenden Strafverfolgung ausgesetzt - bloß wegen dem, was sie waren. Die Folgen der staat­lichen Terrorkampagne waren für die IWW be­drohlich, aber erstaunlicherweise bedeuteten sie nicht ihr Ende. Im Mai 1919 war jedoch ihre Zahl auf 30.000 Mitglieder gesunken.


Kommunist/innen


Wo die staatliche Repression es nicht geschafft hatte, die Wobblies zu zerschlagen, sollte die innere Spaltung bald erfolgreicher sein. Der Streit wurde ausgelöst von kommunistischen Versuchen die IWW zu übernehmen. Dies riß alte Wunden der heftigen Debatte um Zentralisierung erneut auf. Die west­amerikanischen Sektionen stellten sich gegen den Versuch des kommunistisch beeinflussten General Executive Board die Wobblies der [marxistisch-leninistischen] Dritten Internationale anzugliedern. Stattdessen forderten sie den Ausschluss aller Kommunist/innen aus den IWW.
Die Kommunist/innen hingegen konzentrierten sich auf ihren Versuch die Ostküstensektionen für die Idee der Staalichkeit zu gewinnen, wobei sie damit jedoch letztendlich scheiterten. Das General Execu­tive Board vertrat eine Strategie, die auf einer Ein­heit aller Linken ruhte. Im Jahr 1920 versuchte ein Kommunist eine lokale Gewerkschaft der Hafen­arbeiter/innen in Philadelphia zu übernehmen. Er beschuldigte die Wobblies, sie würden Waffen­lieferungen für die antikommunistischen Interven­tionstruppen in Russland verladen. […]

Obwohl sich diese Anschuldigungen später als völlig grundlos herausstellten, war der Schaden für die IWW groß. Das General Executive Board hatte sofort die Hafengewerkschaft in Philadelphia ausgeschlossen. […] Die Wobblies begannen daraufhin Berichte über die Unterdrückung im bolschewistischen Russland zu veröffentlichen, die erstmals in anarchistischen Zei­tungen auf der ganzen Welt erschienen. Von der wachsenden kommunistischen Bewegung innerhalb der IWW wurden die Verantwortlichen des Verrats an der Revolution beschuldigt. Dieser Streit kam auf dem Kongress von 1924 zutage, als die Kämpfe zwischen den Zentralist/innen und Dezentra­list/innen wieder aufbrachen. Die Dezentralist/innen stellten ein Notfallprogramm auf, das vorsah das General Executive Board abzu­schaffen. Die Zentralist/innen hingegen versuchten mehr Kontrolle über die Regionalebene und das General Executive Board zu erlangen. Die Kommu­nist/innen verschlimmerten diese Athmosphäre noch und der Kongress endete mit der entscheidenden Spaltung der IWW.


Die Wobblies aus Utah gründeten die „Wahren IWW“ und die anderen machten von Chicago aus weiter. Diese Spaltung folgte viel zu schnell nach der staatlichen Verfolgung und zeitgleich mit der wachsenden Popularität des Kommunismus. Das war einfach zuviel für die Organisation. Obwohl die IWW von Chicago aus der kommunistischen Unter­wanderung widerstehen konnte, waren ihre großen Streiks im Bergbau in Colorado (1927) und Kentucky (1930) nur vorübergehende Höhepunkte im Nieder­gang der Industrial Workers of the World.
Die Wobblies waren von ihren bescheidenen Anfängen innerhalb weniger Jahre stark angewachsen. Sie waren in der Lage gewesen das Fundament der USA - dem weltweit mächtigsten Staat und Treibhaus des Kapitalismus - zu erschüttern. Während dieses Prozessen nahmen sie anarcho­syndikalistische Ideen aus Europa auf und passten sie ihren eigenen besonderen Umständen an.

Stärken und Schwächen


Die einzige große Stärke der IWW war ihre Begei­sterung für die Kultur der Revolution. Unglück­licherweise wurde diese Stärke in relativ kurzer Zeit überwältigt von einer Kombination aus staatlicher Unterdrückung und innerer Schwächung. Während erstere offensichtlich unvermeidbar war, erwuchs letztere aus einem unvorteilhaften Bündnis zwischen einer antiautoritären, autonomen Fraktion und einer zentralistischen Fraktion. Diese Situation wurde noch verschlechtert durch opportunistische, auto­ritäre Kommunist/innen. Kurz gesagt, die frühere Stärke der Industrial Workers of the World, alljene anzusprechen, die die­ selben Ziele und die gleichen wirtschaftlichen Taktiken verfolgen - ungeachtet ihrer politischen Pläne. Dies stellte sich schnell als eine fatale Schwäche heraus, als politische Parteien die Gelegenheit nutzen die Kontrolle zu übernehmen und daurch die zutiefst revolutionären Taktiken der Organisation untergraben konnten.


Aus:
Direct Action, #. 35, Sommer 2005
(Solidarity FederationInternationale Arbeiter/innen-Assoziation)


Übersetzung: Anarchosyndikat Köln/Bonn


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