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Zeitarbeit: Kenne Deine Rechte!


Eigentlich handelt es sich bei der sogenannten „Zeitarbeit“ um un­begrenzte Leiharbeit. Die Zeit­arbeitsfirma macht mit der Arbeiter/in einen Arbeitsvertrag und verleiht diese gegen Geld an eine andere Firma. Mit dem Entleih­betrieb besteht kein Arbeits­vertrag. Der Entleiherbetrieb hat mit der Leiharbeitsfirma (Personaldienst­leister) einen Überlassungsvertrag vereinbart. Die Entleihfirma ent­scheidet darüber, welche und wieviel Arbeit gemacht werden soll. Also eigentlich arbeitet man für zwei Firmen, die sich den erarbei­teten Gewinn teilen.

Die Entleihfirma kann damit ihre Stammbelegschaft beliebig erset­zen. Ausserdem können die Chefs bei Auftragsrückgängen ein­facher Personal abbauen, ohne sich um den Kündigungsschutz zu küm­mern. Für Leiharbeiter/innen bedeu­tet das einen häufigen und schnellen Arbeitsplatzwechsel und neues Einarbeiten, meist ohne ausführliche Sicherheitshinweise.

Durch diese berufliche Unsicher­heit, dem Zwang zur Flexibilität und erhöhter Unfallgefahr entsteht oft ein hoher persönlicher Stress, teilweise verbunden mit einem weit entfernten Arbeitseinsatz, der sich auch negativ auf Partnerschaften, Freunde und Familie auswirken kann. Es ist auch fraglich, ob über­haupt genug Arbeitstunden nach­gefragt werden - ansonsten droht wieder die Arbeitslosigkeit.

Die rechtliche Grundlage für so ein Arbeitsverhältnis ist das Arbeitneh­merüberlassungsgesetz (AÜG). Die Verleihfirma muss von der Arbeitsagentur eine entsprechende Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Überlassung von Arbeitsleistung haben. Für Leiharbeiter/innen gilt grund­sätzlich europaweit das Prinzip der Gleichbehandlung! Das bedeutet, dass man den An­spruch auf den gleichen Lohn (equal pay) und dieselben Arbeits­bedingungen (equal treatment) hat, wie die entsprechenden Kolleg/innen im Entleihbetrieb. Dabei hat man auch einen Anspruch auf Auskunft des Arbeitgebers über die Bedingungen.

Doch es gibt Ausnahmen: Arbeitslos gewordenen Leiharbeiter/innen kann bei Neueinstellung bis zu sechs Wochen lang ein niedrigerer Lohn gezahlt werden, wenn dies vorher vereinbart wurde. Und vor allem: Die Gleichbehandlung findet nicht statt, wenn es einen Tarifvertrag gibt! Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat nun im März 2010 einen neuen Tarifvertrag mit dem Bundes­verband Zeitarbeit (BZA) abgeschlossen. Auch die Christ­lichen Gewerkschaften Zeitarbeit (CGZP) haben entsprechende Tarife mit dem Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienst­leister (AMP) vereinbart. Mit der Interessengemeinschaft Zeitarbeit (iGZ) wird derzeit noch verhandelt, es gilt dort der Tarif von 2008. Das neue DGB-Abkommen gilt erstmal bis Oktober 2013, falls es nicht vorher aufgekündigt wird.

In der Entgeltgruppe 1 wird zu­nächst ab Juli 2010 mit 7,60 Euro/Stunde der unterste Tarif­lohn bezahlt. In Ostdeutschland gelten sogar noch niedrigere Stundenlöhne von 6,65 Euro (DGB) und 6,40 Euro (CGZP). Die höheren Entgeltstufen bekommen 2,5% mehr Lohn, wobei für alle eine jährliche Steigerung vereinbart wurde. Ab November 2012 wird dann in der DGB-Entgeltgruppe 9 höchstens 18,75 Euro (West) bzw. 16,39 Euro (Ost) bezahlt. Eine Ausgliederung in konzerninterne Leiharbeitsfirmen (wie im Fall Schlecker) soll ausgeschlossen sein. Ein Widerspruch gegen Betriebsübergang (Outsourcing) ist nach BGB sowieso gesetzlich möglich.

Es ist also wichtig zu wissen, ob die Verleihfirma Mitglied in einem Arbeitgeberverband ist bzw. ob die Löhne tarifgebunden sind. Bisher gelten Tarifverträge nur für Mitglieder der christlichen Gewerkschaften und des DGB! Doch es ist geplant, dass diese Tarifverträge bald vom Bundes­arbeitsministerium als allgemein verbindlich erklärt werden, also dann für alle Arbeiter/innen der Branche Zeitarbeit gelten.

Ab Mai 2011 gilt in Europa zudem die volle Freizügigkeit für Dienstleistungen und Arbeitneh­mer/innen. Das bedeutet, es wird einen harten Kampf um Niedrig­löhne geben, da dann außertarif­liche Hungerlöhne von 2 Euro möglich werden, falls der Tarif nicht vorher in das Arbeitnehmerent­sendegesetz aufgenommen wird.

Der DGB hat sich hiermit auf einen Niedriglohn geeinigt, der es vielen Leiharbeiter/innen nicht ermöglicht von ihrer Arbeit zu leben. Daher werden viele gezwungen sein, aufstockend Arbeitslosengeld II zu beantragen. Die Arbeitsagentur finanziert so einen staatlichen Kombilohn für Leiharbeiter/innen, die kaum wieder Chancen auf dem Arbeitsmarkt bekommen. Stattdessen bleiben sie in drei­facher Abhängigkeit gegenüber ARGE, Verleiher und Entleiher!


Kämpfen wir für unsere Rechte als Arbeiter/innen und Erwerbslose
- jenseits aller nationalen und kulturellen Grenzen!


Anarchosyndikat Köln/Bonn,

http://anarchosyndikalismus.org



Bericht über den Protest gegen die Leiharbeitsmesse am Arbeitsamt Köln (28. April 2010):
http://anarchosyndikalismus.blogsport.de/2010/04/28/koeln-protest-gegen-leiharbeit/

Dieser Text ist gemeinfrei bei Nennung der Autor/innen, sowie der Webseite http://anarchosyndikalismus.org